12.07.2024
Der 3. Parkinson-Patiententag im Caritas-Krankenhaus bot über 200 Besuchern eine umfassende Informationsplattform. Der Chefarzt der Klinik für Neurologie im Caritas-Krankenhaus Prof. Dr. Mathias Buttmann stellte bei seiner Begrüßung fest: „Eine überfüllte Aula drei Stunden vor dem EM-Viertelfinale mit deutscher Beteiligung – der Informationsbedarf zu dieser chronischen Nervenerkrankung ist offensichtlich sehr groß.“
In seinem Vortrag
erläuterte Prof. Buttmann den aktuellen Forschungsstand zu den Ursachen der
Parkinson-Erkrankung und hieraus abgeleitete neue Therapieansätze. Anschaulich
erklärte er, wie zunehmende Ablagerungen des Eiweißstoffs a-Synuklein im Gehirn den Verlauf der Erkrankung erklären und zugleich
Ansätze für eine neue, ursachenorientierte Therapie liefern können. Bei den
möglichen Therapieansätzen gebe es Parallelen zur Alzheimer-Erkrankung, in
deren Rahmen sich andere Eiweißstoffe im Gehirn ablagerten. Hier stünden
bereits erste Therapien vor einer möglichen Zulassung auch in Europa. Am
Beispiel fünf Tage zuvor bei einem Kongress in Helsinki erstmals vorgestellter
Defekte im PSMF1-Gen in Familien mit familiärem Parkinson verdeutlichte er:
„Solche seltenen Gendefekte liefern mittlerweile zusätzliche wertvolle Hinweise
für vielversprechende Therapieansätze, hier zum Beispiel durch einen Eingriff
in den Energiestoffwechsel von Nervenzellen.“ Trotz aller Fortschritte sei eine
Heilung der Krankheit allerdings noch nicht in greifbarer Nähe. Das Ziel bleibe
aktuell, die Symptome möglichst lange zu kontrollieren. Dafür
gebe es
mittlerweile ein großes Arsenal symptomatischer Therapien, die die
Lebensqualität bis in fortgeschrittene Stadien der Krankheit erheblich
verbessern können.
Fundiert
beantwortete Buttmann viele aktuelle Fragen aus dem sehr interessierten
Publikum, unter anderem zu Gold-Nanopartikeln als einem Therapieansatz in
Erprobung. Zur Vererblichkeit der Parkinson-Erkrankung betonte er, dass
genetische Untersuchungen meist nicht sinnvoll seien, da die Krankheit in der
großen Mehrzahl der Fälle nicht erblich auftrete. Detailliert erläuterte er die
Empfehlungen der im November 2023 neu erschienenen Parkinson-Leitlinie, in
welchen Fällen eine genetische Testung in Erwägung zu ziehen ist. Er betonte,
dass deren Ergebnis allerdings aktuell jedenfalls noch ohne therapeutische
Konsequenz bleibt. Außerdem ging Buttmann bestätigend und näher erläuternd auf
den Hinweis einer Besucherin ein, dass die Krankheit in der Landwirtschaft
inzwischen als Berufskrankheit anerkannt werden kann, da eine intensive
Exposition gegenüber Pestiziden das Parkinsonrisiko gesichert erhöht.
Oberärztin
Barbara Schweigert stellte Medikamentenpumpen vor, die bei Schwankungen in der
Beweglichkeit trotz häufiger Tabletteneinnahme im fortgeschrittenen
Erkrankungsstadium hilfreich sein können. „Gerätegestützte Therapien sorgen für
eine kontinuierliche Medikamentenabgabe und können so die Lebensqualität
erheblich verbessern.“ Die Fachärztin für Neurologie stellte verschiedene
Systeme mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen vor, darunter ein kürzlich neu
zugelassenes System, mit dessen Hilfe der Wirkstoff Levodopa in die Haut
verabreicht werden kann. Die Einstellung der Therapie erfolgt während eines
stationären Aufenthalts durch Fachpersonal, das im Caritas-Krankenhaus in allen
beteiligten Fachdisziplinen zu dieser Krankheit intensiv geschult und erfahren
ist. „Besonders wichtig ist die Schulung von Angehörigen, Pflegediensten und
Pflegeheim-Personal sowie die Nachbetreuung durch den niedergelassenen
Neurologen, doch bleiben wir für den Fall von Problemen jederzeit ansprechbar“,
so Schweigert.
Die Oberärztin ging
außerdem auf die Parkinson-Komplexbehandlung ein, die in der Neurologie des
Caritas-Krankenhauses seit 2009 regelmäßig als ein- bis dreiwöchige stationäre
Behandlung durchgeführt wird und die medikamentöse und intensive rehabilitative
Maßnahmen miteinander kombiniert. „Bei Parkinson gibt es kein Patentrezept, die
medikamentöse Therapie muss mit viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl
individuell angepasst werden.“ Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie seien
ein integraler Bestandteil des Gesamtkonzepts. Besonderen Wert lege man im Caritas-Krankenhaus
dabei auf eine persönliche Atmosphäre und ein Eingehen auf individuelle
Bedürfnisse und Vorstellungen als wichtigen Voraussetzungen für
Behandlungserfolg und Patientenzufriedenheit.
Dr. Herbert Hock,
niedergelassener Neurologe aus Bad Mergentheim, sprach in seinem Vortrag ein
Thema an, das vor allem jüngere, noch erwerbstätige Patienten interessiert:
„Eine Erwerbstätigkeit ist oft weiterhin möglich, sofern Anpassungen am
Arbeitsplatz vorgenommen werden.“ Er beantwortete Fragen, die ihm von Patienten
häufig gestellt werden: „Es gibt kein Patentrezept dafür, wann der richtige
Zeitpunkt ist, den Arbeitgeber, Kollegen oder Geschäftspartner über die
Erkrankung zu informieren“, so Hock. „Man muss abwägen zwischen einer
rechtlichen Komponente und dem besten Vorgehen für die Person.“ Auch schwierige
Fragen wie die eigene Fahrtauglichkeit wurden angesprochen. Hock empfahl, auf
den Rat von Angehörigen oder Fahrlehrern nach einer freiwilligen Fahrprobe zu
hören und gegebenenfalls auch eine beschränkte Fahrtauglichkeit in Erwägung zu
ziehen. „Manchmal ist auch eine beschränkte Fahrtauglichkeit für Landstraßen
oder bei Tageslicht sinnvoll.“
Vor den Vorträgen und
während einer einstündigen Pause hatten die Besucher die Möglichkeit, sich an
Infoständen der Ergo- und Physiotherapie sowie der Logopädie des
Caritas-Krankenhauses und des Pflegestützpunkts des Main-Tauber-Kreises zu
informieren. Die Besucher konnten zudem mit der regionalen Selbsthilfegruppe in
Kontakt treten. Mehrere Sanitätshäuser präsentierten Hilfsmittel, die den
Alltag mit Parkinson erleichtern können. Vortragende, Therapeuten und Pflegende
standen zudem für individuelle Fragen bereit und demonstrierten verschiedene
Trainingsmöglichkeiten mit praktischen Übungen, unter anderem an einer Tischtennisplatte.
Den Abschluss fand der
erfolgreiche Patiententag für alle, die noch bleiben wollten, mit einem Public
Viewing des Fußballspiels der deutschen Nationalmannschaft.