07.11.2024
Beim Patiententag „Leben mit Krebs“ im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim stellten Ärzte und Therapeutinnen jetzt Unterstützungsangebote und Hilfen zusätzlich zur medizinischen Behandlung vor. Die Besucherinnen und Besucher konnten sich außerdem an den zahlreichen Infoständen direkt über ihre Erkrankung und neue Therapiemöglichkeiten informieren.
Dr. Edgar Hartung, Leiter des zertifizierten Onkologischen Zentrums am Caritas-Krankenhaus, machte in seiner Begrüßung die besondere Behandlungsstruktur in den Krebszentren am Caritas-Krankenhaus deutlich. „Jede Patientin und jeder Patient erhält in unseren Ambulanzen möglichst kurzfristig einen Termin zur Abklärung des Stadiums der Krebserkrankung. Im Caritas stehen uns dafür umfangreiche diagnostische Verfahren zur Verfügung, wie die Radiologie, Pathologie und das Labor, um die Art des Tumors genauer bestimmen zu können.
Umfassende Versorgung durch ärztliches und therapeutisches Team
Alle Fachärzte besprechen dann gemeinsam in der Tumorkonferenz die
Befunde und schlagen eine Therapie vor, die der behandelnde Arzt dann zusammen
mit dem Patienten bespricht“, erläuterte Dr. Hartung. „Neben den Ärzten steht
ein ganzes Team aus Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberaterinnen,
speziell ausgebildeten Fachpflegekräften, dem Sozialdienst, Psychoonkologinnen
und der Seelsorge bereit, um die Betroffenen während der Therapie umfassend zu
begleiten und zu unterstützen“, unterstrich der Facharzt für Innere Medizin,
Gastroenterologie, Hämatologie-Onkologie und Palliativmedizin.
Hilfe bei Geschmacksverlust nach Chemotherapie
Ernährungsberaterin
Kerstin Siehr zeigte in ihrem Vortrag, wie sich eine Chemotherapie auf den
Geschmackssinn und damit auf die Ernährung auswirken kann. „Chemotherapie wirkt
auf sich schnell teilende Zellen und dazu zählen auch die Geschmacks- und
Geruchsrezeptoren. Ein veränderter Geschmack, der alles z.B. metallisch,
bitter, salzig oder fade wirken lässt, bis hin zu Übelkeit allein beim Geruch
von Essen, sind mögliche Folgen“, machte sie klar. Gerade für Krebspatienten
sei allerdings eine ausreichende Nahrungsaufnahme mit ausgewogener vitamin- und
mineralstoffreicher Kost wichtig. „Je besser der Ernährungszustand eines
Patienten, umso besser die Therapieverträglichkeit und der Therapieerfolg“, so
Kerstin Siehr. Konkret empfahl sie allen Betroffenen viele kleine Mahlzeiten
mit möglichst hochkalorischen Speisen zu sich zu nehmen. „Experimentieren Sie
mit intensiven Gewürzen wie Ingwer, Curry Kreuzkümmel oder Zimt. Auch Saures
wie Essiggurken, Wurstsalat und Matjes etc. wird von vielen Patienten gut
toleriert. Und verwenden Sie kein Metallbesteck sondern Holz- oder
Plastikbesteck, um metallischen Geschmack zu vermeiden.“
Offen mit Kindern über die Krebserkrankung sprechen
Wie soll man
über die Diagnose Krebs in der Familie und mit Freunden sprechen? Antworten auf
diese Frage gab die psychologische Psychotherapeutin und Psychoonkologin Lena
Böckle und zeigte vor allem die Auswirkungen auf Kinder von Krebspatienten auf.
Ihre klare Empfehlung: „Reden Sie mit ihrem Kind über die Krebserkrankung, denn
Kinder spüren, dass etwas nicht stimmt. Offenheit schafft Vertrauen. Versuchen
Sie die Krankheit altersgerecht zu erklären, damit das Kind den Grund für die
veränderte Situation einordnen kann“, machte die Psychoonkologin deutlich, die
viele Betroffene und ihre Familien im Caritas-Krankenhaus betreut. „Und machen
Sie keine Versprechungen über den Krankheitsverlauf, die nicht einzuhalten
sind.“ Den Familien empfiehlt die Psychotherapeutin zugleich Resilienzfaktoren
zu stärken. „Überlegen Sie, welche Prinzipien sich im Umgang mit schwierigen
Situationen in der Familie früher schon bewährt haben, und versuchen Sie ein
optimistisches Selbstbild der Familie aufrecht zu erhalten und eine
Alltagskontinuität zu wahren. Es kann auch helfen, dem sozialen Umfeld die
Krankheit offenzulegen.“ Zugleich hatte sie eine positive Botschaft für
betroffene Familien: „Kinder reagieren auf die Ausnahmesituation oft mit Angst,
Wut oder sozialem Rückzug. Eine psychotherapeutische Diagnostik ist dann
erforderlich, wenn diese Symptome mehr als ein halbes Jahr andauern. Die
meisten Kinder zeigen allerdings nicht mehr psychische Auffälligkeiten als
Kinder in nicht betroffenen Familien.“
Cannabis bei Übelkeit und Schmerzen hilfreich
Eine große
Sorge der Krebspatienten ist die Angst vor Schmerzen. Dr. Rainer Schäfer,
Facharzt für Anästhesiologie, Palliativmedizin, Notfallmedizin und spez.
Intensivmedizin, informierte in seinem Vortrag, wie Cannabis in der Onkologie
und Palliativmedizin eingesetzt werden kann, um Schmerzen zu mindern oder ganz
auszuschalten. Einmalig in Deutschland sei, dass Cannabis kein
Zulassungsverfahren vor der Zulassung durchlaufen musste, wie das bei anderen
Medikamenten üblich ist. „Die nachgewiesene Wirksamkeit von Cannabis ist
begrenzt und man muss dabei auf Nebenwirkungen achten“, machte der Mediziner
deutlich. „Medizinisch sinnvoll ist die Anwendung z.B. bei Übelkeit und
Erbrechen, bei Appetitstörung mit Gewichtsverlust, bei Verstimmungszuständen
und bei neurologischen Erkrankungen mit Spastik.“ Eine direkte Wirksamkeit von
Cannabis auf die Tumorverkleinerung ist nach Aussage von Dr. Schäfer nicht
nachgewiesen. „Allerdings kann Cannabis in der Schmerztherapie helfen, wenn
Standardtherapien versagen.“
Chemotherapeutika unter Reinraumbedingungen
Zum Abschluss
erläuterte Stefan Sambeth, Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Onkologische
Pharmazie und Wundexperte ICW e.V. den Weg der onkologischen Therapie vom Arzt
über die Apotheke bis zum Patienten. In einem kurzen Film zeigte er, wie die
Herstellung von individuellen Medikamenten und Infusionen für die Patienten
unter Reinraumbedingungen im Zytostatikalabor im Caritas-Krankenhaus abläuft.
Rund 10.000 Zubereitungen im Jahr werden hier, angepasst u.a. an Größe und
Gewicht jedes einzelnen Patienten, unter strengsten Hygienebedingungen
hergestellt.
In der Pause
hatten die Besucher die Gelegenheit mit den verschiedenen Ärzten und
Therapeuten direkt ins Gespräch zu kommen. In einem Workshop demonstrierte die
Physiotherapeutin Janina Göller Yoga-Übungen für Krebspatienten. Sanitätshäuser
zeigten Hilfen für den Alltag.