27.09.2024
Vertreter der BBT-Gruppe Region Tauberfranken-Hohenlohe sprachen mit dem bildungspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion Andreas Sturm MdL im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim über Ursachen sowie notwendige und geplante Maßnahmen in Bezug auf den zunehmenden Fachkräftemangel im Gesundheitswesen, insbesondere in den Bereichen Physiotherapie, Altenpflege und Kinderkrankenpflege.
Vor allem bürokratische Hürden in der Zulassung von Lehrkräften, der Zertifizierung von Ausbildungsbereichen oder der Anerkennung von ausländischen Auszubildenden sowie eine nicht auskömmliche Finanzierung machten den Akteuren vor Ort zu schaffen, berichteten die Verantwortlichen der vier Ausbildungsstätten der BBT-Gruppe in der Region sowie Pflegedirektor Frank Feinauer und Regionalleiter Thomas Wigant.
Generalistische
Pflegeausbildung hat neue Herausforderungen geschaffen
„Wir bilden den eigenen Nachwuchs für die insgesamt 25 Einrichtungen in der
Region Tauberfranken-Hohenlohe in unseren drei Pflege- und
Gesundheitsfachschulen an den Standorten Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim, Krankenhaus
Tauberbischofsheim und Hohenloher Krankenhaus Öhringen sowie der Fachschule für
Physiotherapie in Bad Mergentheim aus“, beschrieb Regionalleiter Thomas Wigant
eingangs das beständige Engagement der BBT-Gruppe in der Ausbildung des medizinischen
Nachwuchses.
„Die seit 2020 eingeführte sogenannte generalistische Pflegeausbildung hat bisher dazu geführt, dass sich immer weniger Pflegende für die Altenpflege oder die Kinderkrankenpflege entscheiden“, konkretisierte Pflegedirektor Frank Feinauer die zunehmend prekäre Situation in den Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen. Die nachträgliche Weiterbildung von Gesundheits- und Krankenpflegekräften zu Kinderkrankenpflegekräften sei mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden. Außerdem hätten spezialisiertere Berufe wie Operationstechnische oder Anästhesietechnische Assistenzen stärkeren Zulauf, was in einem völlig unberechtigten aber immer noch anhaltend schlechten Image der Kranken- und Altenpflege begründet sei.
„Dank sehr guter Kooperationen mit den Schulen im Umkreis machen rund 300 Schülerinnen und Schüler im Main-Tauber-Kreis und 200 Schüler in Hohenlohe ein Praktikum in unseren Einrichtungen. Wir haben auch gute Modellprojekte, bei denen sich das Schülerpraktikum auch über ein Jahr hinweg an einem Nachmittag pro Woche erstreckt“, berichtete der Pflegedirektor. 100 Prozent der Auszubildenden an beiden Krankenhausstandorten würden so generiert und es sei eine enorme Entwicklung der Jugendlichen während ihrer Praxiseinsätze sichtbar. Auch das bisher staatlich leider nicht unterstützte „Freiwillige Soziale Jahr“ trage dazu bei, junge Menschen für Berufe im gesundheitlichen Bereich zu begeistern.
Der Landtagsabgeordnete Andreas Sturm unterstrich die Signifikanz praktischer Erfahrungen im sozialen Bereich: „Eine Dienstpflicht im Rahmen eines sogenannten Deutschlandjahres ist bereits gefordert. Damit würden die Erfahrungen aufgegriffen, die Sie auch vor Ort machen: Das soziale Engagement stärkt nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern fördert auch den persönlichen Entwicklungsprozess und die Sozialkompetenz von Schulabsolventen. Wir haben in der neuen Schulgesetzgebung außerdem die berufliche Orientierung stärker verankert, auch in den Schulen der Sekundarstufe 1, die bis zur 10. Klasse gehen“, erklärte der bildungspolitische Sprecher Andreas Sturm.
Tobias Wagner, Leiter des Bildungszentrums Gesundheit und
Pflege in Öhringen ging insbesondere auf die Bedeutung der generalistischen
Helferausbildung als Einstieg für Jugendliche mit Hauptschulabschluss und
Chance für den weiteren Berufsweg als Pflegefachkraft ein. Das Bildungszentrum
Öhringen warte noch auf die Zulassung für die generalistische Helferausbildung,
für Tauberbischofsheim werde momentan das Curriculum für die Pflegehelferausbildung
erstellt.
Schulleiter Tobias Wagner und Norbert Stolzenberger, Leiter der
Bildungszentren am Caritas-Krankenhaus und am Krankenhaus Tauberbischofsheim, stehen
derzeit außerdem vor bürokratischen Hürden: „Die Anerkennung von Lehrkräften
aus anderen Bundesländern ist ein langwieriger Prozess, der viel Zeit und
Ressourcen in Anspruch nimmt und oft nicht nachvollziehbar ist“, erklärte
Norbert Stolzenberger. Hinzu kämen Unsicherheiten beispielsweise wegen der vom
Bund geplanten Master-Pflicht für Lehrkräfte ab 2029, die in der Praxis nicht
umsetzbar sei. Äußerst positive Erfahrungen habe man hingegen im Bereich der
Gewinnung von Auszubildenden aus dem Ausland mit einer Kooperation mit der
Mount Kenya University und der Hochschule Koblenz gemacht, durch die sieben Pflegeschülerinnen
und -schüler aus dem christlich geprägten Kenia im vergangenen Jahr ihre
generalistische Pflegeausbildung in Bad Mergentheim beginnen konnten: „Wir
werden dieses Projekt trotz Hürden durch Behörden mit langen Rückmeldefristen
weiterhin forcieren“, erklärten Schulleiter Norbert Stolzenberger und
Pflegedirektor Frank Feinauer. Eine finanzielle Unterstützung des Landes sei
auch hier insbesondere bei den Vorbereitungskosten von 3.000 bis 5.000 Euro pro
Schüler bis zum Ausbildungsbeginn hilfreich.
Unzureichende
Finanzierung schafft Wettbewerbsnachteil
„In der Struktur der staatlich anerkannten Ersatzschulen erhalten wir zwar
eine staatliche Förderung, die allerdings nicht auskömmlich ist, sodass die
Auszubildenden im Bereich Physiotherapie in Baden-Württemberg Schulgeld zahlen
müssen“, wies die Geschäftsführerin von Sanitas Tauberfranken mit der
Fachschule für Physiotherapie Gabriele Weidner auf die unzureichende Finanzierung
der Physiotherapie-Ausbildung hin. „Unsere Fachschule für Physiotherapie
generiert mit ihren insgesamt 95 zugelassenen Ausbildungsplätzen nicht nur den
Nachwuchs für die Einrichtungen der BBT-Gruppe, sondern als einzige Schule im
Umkreis auch für alle niedergelassenen Praxen vom Neckar-Odenwald-Kreis bis
nach Rothenburg“, führte Gabriele Weidner weiter aus und untermauerte damit die
Dringlichkeit der notwendigen Unterstützung.
„Wir haben im Landeshaushalt derzeit 100 Millionen Euro für
die Ersatzschulen in diesem Bereich angesetzt. Außerdem konnte eine geplante
Streichung der 4,5 Millionen Euro, die als Schulgeldpuffer eingegeben sind,
verhindert werden, sodass das Schulgeld weiterhin wenigstens um 25 bis 30
Prozent gesenkt werden kann. Trotzdem ist die Situation weiterhin sehr
unbefriedigend“, erläuterte der Landtagsabgeordnete Andreas Sturm die
politischen Hintergründe. „Eine zeitnahe bundeseinheitliche Regelung wäre
wünschenswert“, erklärte Sturm, bis dahin müsse aber auch auf Landesebene
nachgefasst werden. Regionalleiter
Thomas Wigant begrüßte diese mögliche Bewegung: „Der Wettbewerbsnachteil durch
die räumliche Nähe zum bayerischen Würzburg ist enorm, sodass eine Entlastung
dringend notwendig ist“.
„Das Thema, das die Menschen derzeit am meisten umtreibt, ist die soziale Sicherheit“, erklärte Andreas Sturm MdL abschließend und sagte seine Unterstützung insbesondere bei der Überwindung bürokratischer Hürden zu. Regionalleiter Thomas Wigant dankte herzlich für den direkten Kontakt und den konstruktiven Austausch.