02.08.2023
Über 90 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer nahmen am Infovortrag des Sektionsleiters der Medizinischen Klinik 2 des Caritas-Krankenhauses Dr. Stanislaus Reimer zum Thema Krankheiten der Speiseröhre teil.
Der erfahrene Gastroenterologe und Facharzt für Innere Medizin informierte im Rahmen der Vortragsreihe „Caritas im Dialog“ über Symptome, Diagnose und Behandlung von häufigen Erkrankungen wie Reflux, bis hin zu seltenen und neuartigen Krankheitsbildern. Außerdem zeigte er auf, dass Patientinnen und Patienten mit nahezu allen – die Speiseröhre betreffenden – Diagnosen im Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim behandelt werden können.
Speiseröhre ist ein hochkomplexes Organ
„Der Schluckakt ist ein hochkomplexer Vorgang, an dem 25
Muskelpaare auf beiden Seiten der Speiseröhre, vier Gehirnzentren und fünf
Hirnnerven beteiligt sind. Deswegen können Schluckstörungen oft auch eine
neurologische Ursache haben. Hat man Beschwerden, die die Lebensqualität
beeinträchtigen, ist ein ausführliches Gespräch notwendig, um ein klares Bild
zu erlangen, ob und welche der knapp 100 Erkrankungen der Speiseröhre im
individuellen Fall vorliegt“, erklärte der Facharzt für Innere Medizin und
Gastroenterologie. „Die Speiseröhre ist ein hochinteressantes Organ. Die
Schleimhaut altert nicht wie die Haut, aber es gibt sehr viele Störungen, die
das Schlucken negativ beeinträchtigen können. Jeder dritte bis vierte Mensch in
der westlichen Welt leidet im Laufe seines Lebens an Reflux, volkstümlich
Sodbrennen genannt, den man meist mit Säureblockern gut kontrollieren kann“, so
Dr. Reimer. Wichtig sei die richtige Einnahme von Säureblockern mit ausreichend
Abstand von mindestens einer halben Stunde zur nächsten Mahlzeit, da sie erst
im Dünndarm wirken können.
Verschiedene Therapiemöglichkeiten
„Im Brustkorb herrscht ein negativer Druck, der die
Speiseröhre auseinanderzieht. Im Bauchbereich ist der Druck aber positiv. Das macht die Behandlung von Reflux so
schwierig“, erläuterte der Sektionsleiter weiter. „Gerade weil Beschwerden wie
Sodbrennen so häufig vorkommen, dürfen Alarmsignale für schwerwiegendere
Erkrankungen nicht übersehen werden. Darunter fällt unter anderem eine
Gewichtsabnahme, Erbrechen, Blutungszeichen, Probleme und Schmerzen beim
Schlucken bis hin zur Schluckunfähigkeit“, erklärte Dr. Reimer. Gefährlich
seien auch virenbedingte Entzündungen, die bei immungeschwächten Patienten
auftreten können. Liege eine
Viruserkrankung der Speiseröhre vor, könne diese bei rechtzeitiger Diagnose
aber gut behandelt werden. Dies erfordere häufig einen stationären Aufenthalt, da
die Therapie in der Regel über Infusionen erfolge. Weitere Infektionen der
Speiseröhre können durch Pilze verursacht sein. Hier seien ältere Patienten
besonders gefährdet. Zur Therapie reiche aber oft auch die orale Einnahme einer
Emulsion oder von Tabletten aus. Die Wahrscheinlichkeit einer Pilzerkrankung
der Speiseröhre liege bei jungen gesunden Menschen allerdings bei unter fünf
Prozent. Bakterielle Infektionen der Speiseröhre seien eine Rarität.
Tumorerkrankungen seien in Deutschland mit ca. 7.000 Neuerkrankungen pro Jahr
wesentlich seltener als z.B. in Asien. „Das Fatale bei Tumorerkrankungen ist
allerdings, dass der Patient erst sehr spät Symptome bemerkt. Meist hat der
Tumor dann schon 70 bis 80 Prozent des Speiseröhrenvolumens eingenommen“,
betonte Dr. Reimer.
Neue gefährliche Erkrankung
Erst seit kurzem gebe es eine neue gefährliche Erkrankung,
die autoimmun ausgelöst vor allem bei jungen Menschen (Männer häufiger als
Frauen) dazu führt, dass diese allergisch auf ihre eigene Speiseröhre
reagieren. „Im schlimmsten Fall kommt es zu ausgeprägten narbenartigen Veränderungen
und Verengungen, die dazu führen, dass Nahrung in der Speiseröhre stecken
bleibt und endoskopisch entfernt werden muss. Diese Erkrankung nennt sich
eosinophile Ösophagitis und ist relativ neu (Erstbeschreibung im Jahre 1977 als
eine Rarität). In den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der Betroffenen in
der westlichen Welt jedoch verdoppelt“, informierte Dr. Reimer, dem auch die
Präventionsarbeit ein großes Anliegen ist. Die neuartige Erkrankung sei
chronisch und derzeit nicht heilbar, aber durch eine lokale Dauertherapie mit
Kortison könne eine anhaltende Remission erreicht werden. „Gerade bei Kindern
und Jugendlichen muss man auch an diese Erkrankung denken, und sie frühzeitig
diagnostizieren und behandeln, um bleibende Schäden zu vermeiden.
Bei fortgeschrittener und nicht anders heilbarer Erkrankung
kann durch ein resektives Verfahren eine neue Speiseröhre aus einer Dick- oder
Dünndarmschlinge rekonstruiert werden, wenn noch mindestens zwei Zentimeter der
ursprünglichen Speiseröhre intakt sind“, machte Dr. Reimer Hoffnung. „Eine
Besonderheit der Speiseröhre ist, dass sie im Gegensatz zum Darm oder anderen
Organen nach Operation sehr schlecht heilt. Bei jedem fünften Patienten brechen
Nähte unmittelbar nach Operation wieder auf, unabhängig von Alter und sonstigem
Gesundheitszustand“, erklärte Dr. Reimer. Er leitete am Universitätsklinikum
Würzburg über 12 Jahre ein Forschungsprojekt zu einer neuen, innovativen
Behandlungsmethode, bei der mit einer Pumpe ein Unterdruck in der Speiseröhre
erzeugt wird. „Schleimhaut auf Schleimhaut heilt nicht. Wenn wir aber einen
Unterdruck erzeugen, können wir die aggressiven Sekrete ableiten und die
Schleimhaut an der Verbindungsstelle vitalisieren und verkleben. So werden auch
die Heilungskräfte der Schleimhaut vor Ort wieder aktiviert“, beschrieb Dr.
Reimer die von ihm mitentwickelte Methode.
Modernste Technik zur Messung des Drucks in der Speiseröhre
Im Laufe des Jahres soll ein neues, modernes Gerät zur
Messung des Drucks in der Speiseröhre angeschafft werden: „Diese Anschaffung
ist der letzte Schritt, um unsere technische Ausstattung auf den neuesten Stand
zu bringen. Wir haben hier im Caritas-Krankenhaus eine starke
Endoskopieabteilung, eine sehr gute Chirurgie und Radiologie sowie eine
erfahrene Pathologie, sodass wir Erkrankungen der Speiseröhre gut vor Ort
diagnostizieren und behandeln können. Mit der Neuanschaffung werden wir bis
Ende des Jahres nicht nur die geballte Expertise in unserem Team haben, sondern
auch die technischen Möglichkeiten für eine exzellente Diagnostik und
Therapie“, prognostizierte Dr. Reimer. Schon jetzt könnten die meisten der
knapp 100 Erkrankungen der Speiseröhre im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim
behandelt werden: „Medizin ist Wissenschaft und Kunst zugleich und wir haben
einige hervorragende Kollegen in unserem Team, die beides beherrschen“, so der
Sektionsleiter der Medizinischen Klinik 2 abschließend.
Info: Die Infovorträge „Caritas im Dialog“ findet in der Regel an jedem ersten Donnerstag des Monats im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim statt. Ärztliche Fachexperten informieren interessierte Laien zu verschiedenen gesundheitlichen Themen. Die Termine werden auf der Homepage unter www.ckbm.de bzw. in der Presse bekannt gegeben.