17.07.2019
Große Resonanz beim Patiententag zum Thema Parkinson am 13. Juli im Caritas-Krankenhaus: Mehr als 200 Besucher nutzten die Möglichkeit, sich u.a. über die Themen medikamentöse Therapie, Hilfe bei Blasenstörungen und Fahrtauglichkeit bei Parkinson zu informieren. An den Info-Ständen gaben Therapeuten, Selbsthilfegruppen und Pflegende außerdem viele praktische Tipps, um den Alltag mit Parkinson besser bewältigen zu können.
"Der Informationsbedarf
der Betroffenen und Angehörigen bei dieser chronischen Nervenerkrankung ist
hoch", betonte Chefarzt Privatdozent Dr. Mathias Buttmann, der durch den Tag führte,
in seiner Begrüßung. Daher habe man beim diesjährigen Parkinson-Tag auch ganz
konkret die Fragen der Betroffenen aufgegriffen. So leiden etwa nicht wenige
Parkinson-Patienten an Blasenstörungen und Urininkontinenz - sei es zu starker
Harndrang oder auch Schwierigkeiten beim Entleeren der Blase.
Lebensqualität trotz Blasenstörungen erhalten
Dafür verantwortlich
ist zum einen der Schließmuskel, zum andern die Blase selbst, machte Dr. David
Brix, Facharzt für Urologie in Bad Mergentheim, in seinem Vortrag deutlich.
Probleme können an beiden Stellen unabhängig voneinander auftreten. "Das Gehirn
steuert normalerweise die Anspannung und Entspannung von Blasenmuskel und
Verschlussmuskel; bei Parkinson kann diese Steuerung gestört sein", erläuterte
der Urologe die Ursachen. Er zeigte in seinem Vortrag verschiedene
Therapiemöglichkeiten auf: Sehr wichtig sei vor allem das Beckenbodentraining
auch unterstützt mit Biofeedback. Daneben gebe es verschiedene Medikamente, um
den Harndrang zu mindern. "Wenn diese Medikamente nicht (mehr) wirken, hilft oft
die Injektion von Botulinumtoxin direkt in die Blase." Um das Entleeren der
Blase zu erleichtern, gebe es die Möglichkeit einen Selbstkatheter zu verwenden.
Als weitere Therapieoption nannte der Urologe die sog. "Neuromodulation", eine
Art Schrittmacher für die Blasenfunktion. "Ziel jeder Therapie ist es, die
Kontinenz zu erhalten und damit die Lebensqualität für die Betroffenen zu
erhöhen", so Dr. Brix. Dafür sei eine enge Abstimmung zwischen dem Neurologen,
dem Hausarzt, dem Physiotherapeuten und dem Urologen erforderlich.
Für viele
Betroffene ist auch die Möglichkeit selbst Auto zu fahren ein wichtiger Aspekt der
Lebensqualität. Dr. Herbert Hock, niedergelassener Facharzt für Neurologie,
nannte in seinem Vortrag drei Kriterien, die bei der Frage nach der
Fahrtauglichkeit von Parkinson-Patienten ausschlaggebend sind: "An erster
Stelle steht die Frage, ob die Motorik, also die Beweglichkeit der Arme und
Beine, durch starkes Zittern, Zappeln oder durch eine permanente schwere Starre
beeinträchtigt werden", so der Neurologe. Außerdem sei bei Parkinson-Patienten
oft das Sehvermögen, insbesondere das Kontrastsehen in der Dämmerung oder bei
Dunkelheit, eingeschränkt. Kognitive Störungen wie eine geminderte
Aufmerksamkeit, gestörte Impulskontrolle und plötzliche Einschlafattacken, teils
ausgelöst durch die Dopamin-Medikamente, seien weitere Risikofaktoren. "Ich
bespreche das in der Praxis offen mit den Patienten. Wenn ein Betroffener dann gegen
den ausdrücklichen Rat des Neurologen Auto fährt und es zu einem Unfall kommt,
verliert er den Versicherungsschutz", mahnte Dr. Hock und appellierte zugleich an
eine kritische Selbsteinschätzung. "Hören Sie auf ihre Angehörigen oder auf den
Fahrlehrer nach einer freiwilligen Fahrprobe und nehmen Sie deren Rat an.
Manchmal ist auch eine beschränkte Fahrtauglichkeit für Landstraßen oder bei Tageslicht
sinnvoll." Hier müsse man im Verlauf der Erkrankung immer wieder individuell
entscheiden.
L-Dopa kann Symptome lindern
Sehr
differenziert zeigte im Anschluss Barbara Schweigert, Oberärztin der Neurologie
im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim, die verschiedenen medikamentösen
Therapiemöglichkeiten bei Parkinson auf. "Dabei können wir die Erkrankung
selbst nicht heilen, wir können durch die Medikamente allerdings die Symptome
mindern", betonte die Fachärztin für Neurologie. Hauptsymptome bei Parkinson
seien zum einen die Starre (Akinese) der Mimik, eine geminderte Beweglichkeit
und eine verwaschene Sprache mit leiser Stimme. "Zweites Leitsymptom ist der
Tremor, also das Zittern, das meist vor allem in Ruhe auftritt und bei
Aktivität wieder verschwindet." Dazu komme der sog. Rigor, ein erhöhter
Muskelwiderstand, oft verbunden mit schmerzender Steifigkeit in Rücken und
Schulterbereich. "Ursache für diese Symptome ist ein Untergang von bestimmten
Nervenzellen im Gehirn, die den Botenstoff Dopamin herstellen." Hier setze die
medikamentöse Therapie an. "Zum einen wird der Abbau von Dopamin gehemmt;
außerdem führen wir neues Dopamin in Form von L-Dopa zu oder die Medikamente
enthalten Stoffe, die Dopamin imitieren." Die Gabe von L-Dopa sei zwar nach wie
vor der "Goldstandard" in der Parkinson-Therapie. "Aber nach einigen Jahren
können Wirkungsschwankungen auftreten, die eine neue Dosierung oder eine
Umstellung der Medikamente erforderlich machen." Auch die Nebenwirkungen der
Medikamente seien im Einzelfall sehr verschieden. "Bei Parkinson gibt es kein
Patentrezept, das für jeden passt. Abhängig vom Alter, der Schwere und dem
Verlauf der Erkrankung muss die Therapie immer wieder neu angepasst werden", so
die Neurologin.
Praktische Tipps für den Alltag
Ergänzend seien Physio-, Ergotherapie oder Logopädie wichtig,
um die Symptome zu mindern.
Welche
Trainingsmöglichkeiten es hierzu gibt, stellten mehrere Therapeutinnen aus dem
Caritas-Krankenhaus mit praktischen Übungen vor. In der Pause informierten
außerdem der Sozialdienst des Caritas-Krankenhauses sowie der Pflegestützpunkt
des Main-Tauber-Kreises über finanzielle und pflegerische Hilfsangebote für Parkinson-Patienten
und ihre Angehörigen. Ein Sanitätshaus präsentierte Hilfsmittel, die den Alltag
mit Parkinson erleichtern können. Pflegende aus dem Caritas-Krankenhaus
demonstrierten außerdem, wie man mit angepassten Bewegungen oder der
Aromatherapie die Pflege erleichtern kann. Tamara Roth und Barbara Dezini-Kehl stellten
örtliche Selbsthilfegruppen für Betroffene und ihre Angehörigen vor. Zum
Abschluss nutzten nochmals viele Besucher die Möglichkeit, individuelle Fragen
an die Neurologen zu stellen.
Info Selbsthilfegruppen:
Cafe
"Zeit(T)raum":
Angehörige von an Parkinson Erkrankten treffen sich einmal im Monat mittwochs ab 18 Uhr in Tauberbischofsheim. Kontakt: Barbara Dezini-Kehl, Tel.:
01573/ 79 00 338 oder E-Mail: b.kehl@posteo.de
PARKINSON Lebensfreu(n)de, Selbsthilfegruppe für Betroffene und Angehörige; nächster Termin 10. August 2019, 15 Uhr, Lebenshilfe Main-Tauber-Kreis e.V. "Mittendrin", Hauptstr. 43a; Tauberbischofsheim. Kontakt: Tamara Roth, Tel.: 09341-9478430 oder E-Mail: tamara@abend-roth.de
Weitere Parkinson-Selbsthilfegruppen gibt es in Künzelsau und Öhringen. Informationen über barbara.welle@bw.aok.de; Tel. 071
31 / 639-374, Mo-Fr 9-12 Uhr