26.04.2019
Mit einem Fachsymposium zum Thema Nierenerkrankungen feierte jetzt das Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim das 40-jährige Bestehen der Abteilung Nephrologie. Am 1. April 1979 wurde der Fachbereich Nierenheilkunde als Teil der Medizinischen Klinik unter dem damaligen Chefarzt Dr. G. Basalek im Caritas eingerichtet. Heute ist die Abteilung zertifizierte nephrologische Schwerpunktklinik für die Versorgung von nierenkranken Patienten in der gesamten Region.
Zunächst standen acht Stationsbetten auf der Dialyseabteilung zur Verfügung. Heute umfasst die Dialyseabteilung im Caritas 19 teilstationäre Betten dazu kommen weitere 24 Betten auf der Intensiv- sowie der nephrologischen Station. Jährlich werden rund 11.000 Dialysen durchgeführt.
Einzige zertifizierte nephrologische Schwerpunktklinik in Nord-Württemberg
Chefarzt Dr.
Jochen Selbach verwies in seiner Begrüßung auf die besondere Bedeutung der Nephrologie
des Caritas-Krankenhauses für die Versorgung von nierenkranken Menschen in der Region. In
Baden-Württemberg gebe es nur zehn nephrologische Schwerpunktkliniken. "Das
Caritas-Krankenhaus sichert als einzige nephrologische Schwerpunktklinik
zwischen Heidelberg und Stuttgart die qualitätszertifizierte Behandlung von Patienten
mit Nierenerkrankungen", so Dr. Selbach. Dabei sei die Nephrologie ein stark
interdisziplinär ausgerichtetes Fach. "Wir Nephrologen brauchen die intensive Zusammenarbeit
mit Gefäßchirurgen, Kardiologen und Internisten. Denn von einer Niereninsuffizienz
ist fast jede Funktion im menschlichen Körper betroffen."
Nierenersatztherapie sichert Weiterleben
Dies wirke sich entsprechend auf die Patienten
aus. "Wir behandeln in der Nephrologie meist multimorbide, mehrfach
erkrankte Patienten, die oft schon eine
lange Krankenhaus- und Therapiegeschichte hinter sich haben." Allerdings gebe
es einen entscheidenden Vorteil bei der Therapie, so der Facharzt für Innere
Medizin, Kardiologie, Nephrologie, Hypertensiologe (DHL) und Rettungsmediziner:
"Im Gegensatz zu allen anderen Organen
ist die Funktion der Niere durch die Dialyse über viele Jahre ersetzbar und
ermöglicht den Betroffenen ein - wenn
auch eingeschränktes - Weiterleben."
Bauchfelldialyse erstmals 1924 durchgeführt
Die
Geschichte dieser Nierenersatztherapie stellte Prof. Dr. Jürgen Kult,
langjähriger Leiter und früherer Chefarzt der Nephrologie im Caritas-Krankenhaus
dar. Nach ersten Tierversuchen Ende des 19. Jahrhunderts wurde 1924 in Gießen die
erste Peritoneal-Dialyse an einem Menschen durchgeführt. Dabei dient das
Bauchfell (Peritoneum) des Patienten als Filter. "In den Folgejahren wurde das
Verfahren der Bauchfelldialyse zwar verbessert, aber es blieb die Schwierigkeit
immer wieder eine neue unverletzte Stelle im Bauchfell zu finden, das durch die vielen Einstiche oft
vernarbt und verhärtet war", erläuterte Prof. Kult. Bis in die 60er Jahre wurde
die Bauchfelldialyse daher nur ein- oder zweimal die Woche und dann oft über 24
oder gar 36 Stunden am Stück angewandt. Erst
mit der Entwicklung flexibler Katheter und der Einführung von Einmalnadeln 1969
verbesserte sich allmählich die Dialysetherapie. "Problem waren außerdem die
oft weiten Entfernungen bis zu den wenigen Dialysezentren; denn hier in der
Region gab es bis 1979 eben nur Würzburg."
Hämodialyse verbessert Therapie
1972 folgte
dann die Einführung der Hämodialyse ("Blutwäsche") über die Arterien und Venen
mit Hilfe eines dauerhaften Zugangs am Arm und damit eine "rasante Steigerung
der Behandlungsfrequenz", so Prof. Dr. Kult. Dabei wird das Blut in eine
künstliche mechanische Niere außerhalb des Körpers geleitet. Diese filtert
Giftstoffe heraus und leitet das gereinigte Blut wieder in die Vene zurück.
Risikofaktor Bluthochdruck
Aktuelle
Entwicklungen in der Behandlung von Nierenerkrankungen stellte Prof. Dr. Christoph
Wanner, Leiter der Nephrologie am Universitätsklinikum Würzburg, vor. Neben der
Dialyse und der Möglichkeit der Nierentransplantation legte er den Schwerpunkt
vor allem auf die Therapie der Risikofaktoren. So habe man 1980 den Bluthochdruck
als wichtigen Risikofaktor für Nierenerkrankungen identifiziert und seither mit
verschiedenen Blutdruck senkenden Medikamenten das Fortschreiten von
Nierenerkrankungen eingedämmt. "In den vergangenen 15 Jahren gab es jedoch
keinen neuen Meilenstein bei der Behandlung von Nierenerkrankungen", räumte er
ein. Zugleich sei angesichts von 300 bis 600 Millionen Diabetikern weltweit ein
starker Anstieg von Nierenpatienten in den kommenden Jahren zu erwarten.
Neuer Wirkstoff SGLT2-Blocker
Neue Medikamente wie die sog.
"SGLT2-Blocker", die die Ausscheidung von Zucker in der Niere regulieren,
versprechen nach Ansicht von Prof.
Dr. Wanner nun eine Wende. "Studien belegen, dass durch diese Wirkstoffe in der
Niere auch die kardiovaskuläre Mortalität sinkt, denn wir wissen: die Niere
sagt dem Herz, wo es langgeht." Zurzeit würden weltweit rund 5 Mrd. Euro in
Forschungen dazu investiert. "Ich erwarte dadurch einen Rückgang der Zahl der
dialysepflichtigen Patienten um ca. 50 %", so
Prof. Dr. Wanner.
Hohe Anforderungen an Pflegepersonal in der Dialyse
Die besondere
Beziehung zwischen Pflege und Patient in der Dialyse, die sich oft über viele
Jahre entwickelt, stellte im Anschluss Erich Stapf vor. Der Fachkrankenpfleger
Nephrologie ist von Anfang an, also seit 1979, in der Dialysestation im
Caritas-Krankenhaus tätig und seit vielen Jahren Stationsleiter. Am Beispiel
zweier Patientinnen verwies er auf die oft engen persönlichen Bindungen
zwischen Pflege und Patient in der Dialyse. Bei zahlreichen Festen und
Veranstaltungen, oft mit Ehepartner und Angehörigen, habe sich eine "Dialysefamilie"
im Caritas über die Jahre entwickelt, in der sogar gemeinsam Hochzeiten
gefeiert wurden, wie er am Beispiel einer langjährigen Patientin ausführte. "Heute
sind viele dieser Aktivitäten leider gar nicht mehr möglich, weil
Dialysepatienten im Schnitt meist älter und viel zu krank sind", machte er den
Wandel deutlich. Er betonte die hohen
Anforderungen an die Pflege sowohl im Bereich Medizin und Technik wie bei der
menschlichen Zuwendung. "Gefordert ist ein hohes Maß an Qualifizierung,
Flexibilität und Einsatzbereitschaft. Wir Pflegenden sind der langjähriger
Ansprechpartner für die Patienten und begleiten sie über viele Jahre. Denn
Nierenpatienten sind krank und bleiben es, solange sie leben."