16.07.2018
Die kirchlichen Krankenhäuser in Baden-Württemberg verstärken ihren Druck auf die politisch Verantwortlichen, um die Situation für die Mitarbeitenden in der Pflege nachhaltig zu verbessern. Bei einem gemeinsamen Aktionstag Pflege am Freitag, 13. Juli in Stuttgart sprachen sie sich für eine professionelle Pflege mit mehr Zeit für Hingabe und Zuwendung zum Patienten aus. Mit dabei eine Delegation aus dem Caritas-Krankenhaus.
Beim Aktionstag Pflege in der Stuttgarter Liederhalle überreichten
die Vertreter der kirchlichen Krankenhäuser in Baden-Württemberg eine
entsprechende Resolution mit 5000 Unterschriften ihrer
Mitarbeitenden an die beiden Bundestagsabgeordneten Heike Baehrens (SPD)
und
Karin Maag (CDU).
Mehr Zeit für die Pflege am Patienten
"Als
kirchliche Krankenhäuser ist es uns ein besonderes Anliegen, dass es
tatsächlich eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Pflege gibt",
machte Bernd Rühle, Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhausverbandes
Baden-Württemberg e.V., in seiner Einführung deutlich. Der christliche Auftrag
"Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" erfordere auch entsprechende
Rahmenbedingungen. Aus der Politik gebe es mit dem Entwurf zum
Pflegepersonal-Stärkungsgesetz dazu im Moment erste "positive Signale". "Es ist
sehr erfreulich, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Leistungen der
Pflege anerkennt." Aber es gebe noch viele offene Fragen. "Wir brauchen
nachhaltige Lösungen und keine Strohfeuer", so Rühle. "Wir brauchen mehr Zeit
für die Pflege am Patienten, mehr Zeit für eine professionelle Pflege mit
Hingabe".
Heribert Prantl: Pflege ist nicht börsenfähig, sondern muss Würde des Menschen achten
In einem
nachdenklichen und sehr persönlichen Impuls griff Prof. Dr. Dr. h.c. Heribert
Prantl von der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung diesen Gedanken auf. Bei
der Sorge um alte und kranke Menschen sei "eine Auferstehung der Nächstenliebe
und wärmende Zuneigung notwendig", betonte er. "Für gute Pflege braucht es Zeit,
Geborgenheit und Barmherzigkeit." Diese könne man nicht betriebswirtschaftlich
optimieren. Er warnte vor einer "umfassenden und radikalen Ökonomisierung des
Gesundheitswesens": "Die Versorgung von Alten und Kranken darf nicht Mittel zur
Gewinnerzielung sein, Pflege und Krankheit sind nicht börsenfähig", so Prantl.
In älteren Darstellungen sei die Hölle "ein Ort, wo Liebe nicht mehr hindringt,
ein Abgrund des Verlassenwerdens". "In fast jeder Stadt finden wir heute
Pflegeheime und Demenzstationen, die einen solchen Namen tragen." Dies dürfe unsere
Gesellschaft nicht hinnehmen. "Alte Menschen dürfen keine Angst haben
aussortiert zu werden", forderte Prantl und verwies auf den ersten Artikel des
Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Es sei die Aufgabe des
Sozialstaates, dies zu organisieren. "Und Krankenhäuser sind Orte, an denen
sich dieser Satz bewähren muss." Daher müsse jede Reform im Gesundheitswesen diese
Würde achten und schützen. Prantl: "Krankenhäuser und Pflegeheime dürfen keine
Fabriken sein, in denen das Wichtigste ist Geld zu machen, sondern Orte, an
denen geheilt und gepflegt wird."
Krankenhaus ohne Pflege nicht denkbar
Damit traf
der Journalist die Stimmung der anwesenden Pflegekräfte, wie der lang
anhaltende Applaus zeigte. In anschließenden "Blitzlichter" berichteten einige
von ihnen von ihren Arbeitsalltag auf den Stationen im Krankenhaus. Darin
verlangten sie vor allem mehr Respekt und Wertschätzung für ihren Beruf. Pflege
habe sich professionell etabliert und ein Krankenhaus ohne Pflege sei nicht
denkbar. Bei aller Kritik zeigten sie sich zugleich überzeugt: "Pflege ist ein schöner,
vielseitiger und sinnhafter Beruf."
Frank Feinauer gegen Personaluntergrenzen und Pflege auf unterstem Niveau
Bei der
anschließenden Podiumsdiskussion mit den beiden Bundestagsabgeordneten Heike
Baehrens (SPD) und Karin Maag (CDU) trugen die Vertreter der Krankenhäuser noch
einmal ihre Forderungen an die Politik vor. Frank Feinauer, Pflegedirektor im
Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim, wandte sich gegen eine Kultur des
Misstrauens. "Als kirchliche Krankenhäuser haben wir den Willen das Geld, das
uns zur Verfügung steht, sinnvoll einzusetzen, aber wir werden von den
Rahmenbedingungen behindert." Er verlangte eine "langfristige und nachhaltige
Finanzierung der Pflege" und keine kurzfristigen auf wenige Jahre ausgelegten
Fördermaßnahmen. Gemeinsam mit Bernd Rühle kritisierte er die im neuen
Gesetzentwurf vorgesehen Pflegeuntergrenzen, die Mindestzahlen für die Pflege
festlegen sollen. Diese berücksichtigten zum einen nicht die unterschiedliche Organisation
der Arbeit in den Kliniken "Außerdem kann es nicht das Ziel sein, auf unterstem
Niveau zu pflegen, eine gute Pflege ist damit nicht zu machen", so Feinauer und
Rühle übereinstimmend. Zugleich habe das noch mehr Bürokratie und Dokumentation
zur Folge.
Karin Maag (CDU): Teil der DRG künftig für Pflege am Bett
Die beiden
Politikerinnen verwiesen auf die intensiven Bemühungen mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz
in der laufenden Legislaturperiojde, die Situation in der Pflege zu verbessern.
"Wir haben die Pflege in den letzten Jahren nicht vergessen", betonte Karin
Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Jährlich würden rund 72 Mrd. Euro in die Krankenhausfinanzierung gehen. "Es ist
genug Geld im System, aber wir brauchen mehr Transparenz, wohin das Geld fließt."
Künftig solle in den DRGs ein Teil des Geldes ausschließlich für die Pflege am
Bett zur Verfügung stehen.
Heike Baehrens (SPD): Gemeinsam mehr Ansehen für Pflegeberuf schaffen
Die
pflegepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Heike Baehrens,
räumte Fehlsteuerungen in der Vergangenheit ein. "Im Moment profitieren
diejenigen Krankenhäuser, die nicht nach Tarif zahlen. Das müssen wir ändern." Aber
die geplante volle Finanzierung der Tarifsteigerungen durch die Krankenkassen
sei ein "großer Schritt, wenn dies jetzt für die Pflege umgesetzt wird." Sie
bat um Verständnis für die Aufgabe der Bundespolitiker, die bei ihrer
Gesetzgebung die unterschiedliche Situation in den einzelnen Bundesländern
berücksichtigen müssten. "In Baden-Württemberg haben Sie schon eine gute
Krankenhauslandschaft erreicht, im Gegensatz etwa zur Situation in
Nordrhein-Westfalen." Zugleich wandte sie sich mit einem Appell an alle gesellschaftlichen
Gruppen: "Wir sind eine Verantwortungsgemeinschaft und es ist die Aufgabe von
uns allen, dass die Pflege wieder mehr Ansehen gewinnt."
Rainer Brockhof: Zusammenschluss von Dienstgeber und Dienstnehmer
Diesen Appell
griff auch Diözesancaritasdirektor Dr. Rainer Brockhoff in seinem Fazit auf:
"Wir werden nicht in zwei Monaten alle Problem lösen, die sich in den letzten
20 Jahren angehäuft haben. Aber wenn wir uns als Dienstgeber und Dienstnehmer
in den kirchlichen Krankenhäusern zusammenschließen, können wir gemeinsam Verbesserungen
erreichen."
Info: In den 44
kirchlichen Krankenhäusern und Reha-Kliniken in Baden-Württemberg versorgen
rund 21.800 Mitarbeitende jährlich rund 336.000 Patientinnen und Patienten.
Auch der TV-Sender LTV berichtet über denAktionstag Pflege.