Mehr als 200 Betroffene, Angehörige und Besucher nutzten am Samstag, 28. Mai, die Gelegenheit, um sich beim 2. Bad Mergentheimer MS-Tag im Caritas-Krankenhaus über neue Entwicklungen beim Thema MS zu informieren. Über einige positive Entwicklung bei der Therapie berichtete Chefarzt PD Dr. Mathias Mäurer.
Gleich zu Beginn des MS-Tages hatte Privatdozent Dr. Mäurer, Chefarzt der Klinik für Neurologie im Caritas-Krankenhaus, einige positive Nachrichten für die Betroffenen dieser chronischen Erkrankung des zentralen Nervensystems. Insbesondere in der Frühphase gibt es nachweislich positive Erfahrungen bei der Behandlung mit Interferonen und Copaxone. "Wir können hier in der Frühtherapie eine Schubreduktion um 50 Prozent verzeichnen", betonte PD Dr. Mäurer, der als ärztlicher Beirat der Deutschen MS Gesellschaft maßgeblich an der Entwicklung von Therapiekonzepten mitgewirkt hat.
Effiziente Tablettentherapie
Auch bei der Entwicklung effizienter Tabletten gebe es interessante Neuigkeiten. "Fingolimod wurde als erste Tablette für die Therapie der hochaktiven MS zugelassen und die Therapie mit dem Wirkstoff Fumarsäure hat sogar das Potenzial, die Spritzentherapie zu ersetzen bei akzeptabelem Sicherheitsprofil." Quasi als "Make-up für die Nervenfaser" wirke die Tablette Fampridine-SR, die wie eine Isolierung für die Nervenfaser wirkt. "Jüngste Studien belegen, dass dadurch die Geschwindigkeit beim Gehen wieder steigt, gerade für Patienten mit eingeschränkter Mobilität ein zentrales Problem." Eine verbesserte Gehfähigkeit speziell bei Patienten mit mittelschwerer und schwerer Spastik verspreche außerdem das Medikament Sativex, ein Mundspray, das ab 1. Juli in den Apotheken erhältlich ist.
Wissenschaft und Forschung aus erster Hand
Hoffnung machte der Neurologe auch Patienten, die mit dem Medikament Tysabri gute Erfahrungen gemacht haben. "Das gefürchtete Risiko einer Virusinfektion im Gehirn lässt sich durch einen neuen Antikörpertest eingrenzen." Dieser Test werde auch im Caritas-Krankenhaus angeboten, das als Mitglied im Kompetenznetz Multiple Sklerose Wissenschaft und Forschung aus erster Hand anbieten könne. Zugleich machte der Chefarzt in seinem Vortrag klar, dass "nicht die Verschreibung eines Medikaments das Wesentliche bei der MS-Therapie" sei. "Wichtig ist vor allem, dass der Patient seine Krankheit versteht und gemeinsam mit dem Arzt ein auf seine Bedürfnisse abgestimmtes multimodales Behandlungskonzept zusammenstellt", so Mäurer.
Selbstbestimmter MS-Patient
Diese Forderung nach einem selbstbestimmten Patienten unterstützte auch Dr. Gerald Lehrieder, Chefarzt der Kiliani-Klinik Bad Windsheim. "Wir Ärzte sind die allgemeinen MS-Experten", erklärte er. "Und wir wollen, dass Sie Experte für Ihre MS werden." Um dies zu erreichen, sei viel Wissen über die Krankheit notwendig. Nur dann könne der Patient auch das Gespräch über die oft tabuisierten Folgen der MS wie kognitive Störungen, Blasen- oder Sexualstörungen suchen. Dies sind nach Aussage Dr. Lehrieders die Grundlagen für eine handlungsorientierte Bewältigung der Krankheit. Dazu gehöre auch die Selbstliebe mit der Einstellung "Ich will mir und meinem Körper etwas Gutes tun" sowie der richtige Umgang mit Stressfaktoren. Dr. Lehrieder: "Aus diesen Zutaten muss jeder Betroffene selbst seine eigene Mixtur zur Bewältigung der Krankheit zusammenstellen."
Ernährung auf pflanzliche Fette umstellen
Ein Baustein, um die medikamentöse Therapie zu unterstützen, ist eine gesunde Ernährung für MS-Patienten. Auf was die Betroffenen dabei achten sollten, stellte Dr. Friederike Preiß, Ernährungsberaterin aus Ulm, in ihrem Vortrag vor. Wichtig sei es vor allem eine Mangelernährung zu vermeiden. "Ein Grundsatz lautet: die Einschränkung von tierischen Fetten und eine vermehrte Zufuhr von wertvollen Fettsäuren aus pflanzlichen Fetten wie sie etwa in Walnuss-, Raps-, Soja- oder Leinöl enthalten sind", so die Ernährungswissenschaftlerin. Ihre Empfehlungen: maximal zwei Fleisch- bzw. Wurstmahlzeiten pro Woche, täglich Milch und Milchprodukte, wenig Eigelb, fettarme Produkte und Vollkornprodukte bevorzugen, mindestens zwei Fischmahlzeiten pro Woche und mindestens 2 Liter Flüssigkeit pro Tag darunter vor allem Tee, Wasser und Obstsäfte.
Bewegungstrainung und praktische Tipps bei Blasenstörungen
Ganz individuelle Probleme konnten die Besucher im Gespräch mit den Experten diskutieren. Chefarzt Dr. Mäurer, Oberarzt Dr. Jochen Ulzheimer, die Sportwissenschaftlerin Dorothea Frevel und der niedergelassenen Neurologe und Psychiater Dr. Herbert Hock beantworteten mehr als eine Stunde lang die Fragen der Betroffenen und Angehörigen. Ganz konkrete Anleitungen und praktische Tipps gab es auch in den Workshops, die sich mit Blasenstörungen bei MS, Gedächtnistraining und speziellem Bewegungstraining bei MS-Patienten beschäftigten. Die Infostände der Pharmafirmen und der Sanitätshäuser zeigten darüber hinaus viele praktische Hilfsmittel, die den Alltag erleichtern. Und sogar ein rollstuhltaugliches Motorrad sollte zeigen, dass Lebensfreude und MS sich nicht ausschließen. "Ich habe viele neue Informationen für mich mitgenommen", zeigte sich ein Betroffener zum Abschluss der Veranstaltung zufrieden.
Der Vortrag von Privatdozent Dr. Mathias Mäurer als pdf: MS-Therapie 2011: Was gibt es Neues?